Freitag, 11. Januar 2008

Die modernen Spionage-Werkzeuge

Vielleicht ist es dem ein oder anderen schon aufgefallen: mit zunehmender Raffinesse der modernen Technik sinkt das Niveau der Krimis oder zumindest der Charme ihrer Protagonisten. Wo Detektive früher große Denker, geniale Logiker und charismatische Exzentriker waren, kämpfen die heutigen Figuren nur noch mit ihren psychischen Problemen. Sie sind keine Patrioten, sie sind Anarchisten. Irgendwie zumindest. Und wenn sie auch nur immer noch an ihren Glimmstengeln festhalten. Früher gehörte das Rauchen zum guten Ton, heute ist es ein Zeichen von Verwegenheit. Aber das ist ja auch das einzige, was den Detektiven bleibt, denn heute muss man nicht mal mehr vom Schreibtisch aufstehen, um seine Nachforschungen zu betreiben.
Ich weiß nicht, ob Holmes über diese aktuelle Entwicklung höchsterfreut oder zu Tode gelangweilt wäre: keine Verkleidungen, keine Versteckspiele mehr, heute heißt das Zauberwort Fake-Account und das Tollste: man macht sich nicht mal mehr die Finger schmutzig dabei.


Googeln wir doch mal ne Runde
Will man heute etwas über jemanden wissen, zieht man kein Who-is-who mehr aus dem Regal und bläst die Staubschicht von der Oberkante. Man bemüht das Internet. Vorteil: Dort findet man nicht nur die Dinge, die Leute freiwillig von sich preisgeben, man findet auch jede Menge, von denen die Leute gar nicht wissen, dass es irgendwo zu finden ist und von denen sie vielleicht auch gar nicht wollen, dass es irgendwo zu finden ist.
A propos: Wann habt ihr zum letzten Mal geschaut, was Google über euch hergibt?
Das Wort "kompromittierend" ist nicht mehr im Wortschatz vorhanden. "Peinlich" auch nicht.

Aber schließlich sind Suchmaschinen nicht unfehlbar. Sollte man mithilfe von Suchmaschinen nicht finden, was man sucht, gibt es ja noch die Möglichkeit, dass einem das Recherche-Opfer alles bereitwillig erzählt. Und das geht viel einfacher, als ihr vielleicht glaubt.


Gefangen im sozialen Netzwerk
Willkommen in der schönen neuen Welt. Ihr sucht Freunde? Im Internet gibt es tausende... ja, was sage ich: Millionen!, die nur darauf warten, eure Bekanntschaft zu machen. Und da in diesen Netzwerken alle so zeigefreudig sind und nicht nur das preisgeben, was man auch in ihrem Lebenslauf nachlesen könnte, ist das der ideale Ort für eine Recherche. Zuerst muss man also Mitglied in einem solchen Netzwerk werden und akzeptieren, dass man seine Seele, seinen Verstand und seine persönlichen Daten an die Werbeindustrie verkauft (sofern man im Besitz eines dieser Dinge ist).
Aber das ist ein relativ geringer Preis für wertvolle Informationen, nicht wahr? Und wenn man über genügend Verstand verfügt, kann man sich ja einen Fake-Account zulegen.
Wenn nun nicht ohnehin schon alles im Profil nachzulesen ist, lässt sich durch eine gemeinsame Interessensgruppe und eine persönliche Nachricht vermutlich alles in Erfahrung bringen.

So naiv Menschen früher scheinbar gegenüber Verkleidungen eingestellt waren, so sorglos geben sie heute persönliche Informationen in Netzwerken oder Blogs preis. Und der arglose Kommentar: "Ist mir egal, ich habe nichts zu verbergen" ist angesichts von Firmen, deren einzige Aufgabe darin besteht, für Personalabteilungen anderer Firmen die Profile potentieller Jobanwärter auszukundschaften, schon etwas ulkig. Von der Werbeindustrie wollen wir gar nicht erst reden. Deren Methoden sind heute so subtil, dass ein "Darauf falle ich sicher nicht rein!" schon an Geistesgestörtheit grenzt. Wir alle fallen darauf herein. Ohne Ausnahme.



Nun also die Frage, was ein moderner Detektiv überhaupt noch selbst können muss. Eine Recherche ist nicht viel weiter als drei Mausklicks und die Ortung eines Verdächtigen nur einen Anruf vom Handynetzbetreiber entfernt. Ein persönlicher Kontakt ist schneller hergestellt, als man schauen kann. Kaufverhalten, Vorlieben, Kontostand, Bewegungsprofil, soziales Umfeld, alles kein Problem dank Payback, ebay, Amazon und Co. Der vielfach heraufbeschworene Big Brother ist längst allgegenwärtig. Denk- und Kombinationsfähigkeiten sind auch nur noch rudimentär vorhanden. Es gibt ja Kriminallabors und die Technikabteilung. Aber wer kann es den Autoren verübeln? Heute von jemandem zu verlangen, die alten Werte wieder heraufzubeschwören, ist, als verlange man, er solle sich in die Lage versetzen, dass es keinen Strom, kein fließend Wasser, keine Zentralheizung, kein Telefon, keine Computer, kein Internet, keine Handys.... kurz: keine Zivilisation gibt.
Falls es dennoch jemand schaffen sollte, in unserer schnellebigen und konsumorientierten Welt einen guten Krimi mit interessanten Figuren zu schreiben, werden wir es wohl erst in 50 Jahren erfahren. Wenn die Bücher dann noch neu aufgelegt werden, werden sie es wahrscheinlich wert gewesen sein.

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